SIMM Wettkampftag 2 – süßer Abschluss mit bitterem Beigeschmack
Um genau 5:30 Uhr in der Früh ertönt dann stets der unbeliebte Weckschuss des Veranstalters, den man mit nur Nase aus dem Schlafsack dann doch schon mal verfluchen kann. Was soll’s, wir haben es uns selber eingebrockt. Denn laut Reglement begeben sich die schnellsten Teams des Vortages bereits um 7:00 Uhr auf die zweite Etappe. Alle nachfolgend platzierten Mannschaften starten in dem Abstand zum jeweils Parcour-Führenden, in dem sie tags zuvor ins Zwischenziel eingelaufen sind (Jagdstart). Bis dann eine Stunde später, also um 8:00 Uhr, alle restlichen Teams im großen Pulk gemeinsam losspurten (Massenstart). Zu der Zeit waren wir als Team Elbe-Radys also bereits 59 Minuten und 45 Sekunden unterwegs, immer in unmittelbarer Lauerposition an die Fersen der Startnummer 705 geheftet. Was für eine Kopie des Rennverlaufs aus dem Vorjahr! Ich, als Navigationsverantwortlicher, hatte mir bereits nach ausführlichem Studium der zweiten Tageskarte, die wir ebenfalls wieder erst nach dem Start erhalten hatten, bereits auf den heutigen Checkpoint 10 als unseren Showdown eingeschossen. Bis dahin sollte die größte Bergauf-Schinderei (max. 2.167m) hinter uns liegen, während der man sowieso keine vernünftigen Angriffsattacken fahren kann, ohne sich selbst später über das Knie der falschen Renneinteilung zu legen. Wir wollten geduldig sein und unsere Vorläufer lieber mürbe machen und merken lassen, dass wir auf deren Aktionen zu jeder Zeit postwendend reagieren können. Wir fühlten uns gut und wieder mal erstaunlich schnell regeneriert nach der anstrengenden (Tor)Tour gestern. Bis wir gemeinsam am fünften von 12 Tages-Kontrollpunkten ankamen. Dort unterlief uns bzw. mir ein folgenschwerer Navigationsfehler…
Das Orga-Team hatte zwei der ursprünglich 14 für diesen Tag angesetzten Checkpoints aus dem Rennen genommen und dies auch deutlich sichtbar auf der Karte vermerkt. Allerdings war der ursprüngliche Routenvorschlag, welcher im Kartenmaterial nachgezeichnet worden war, nicht entfernt worden. In meiner Euphorie und dem festen Entschluss, bloß keine falsche Entscheidung treffen zu wollen, ist an der Stelle genau dieses Worst-Case-Szenario eingetreten – wir orientierten uns weiter Richtung Kontrollpunkt 6 (obwohl genau dieser zusammen mit dem 7er aus der Route gestrichen worden war). Bis ich voller Ernüchterung meinen Fauxpas bemerkte, waren schätzungsweise über zehn Minuten vergangen; und die Startnummer 705 schon lange aus unserem Sichtfeld verschwunden. Das darf doch wohl nicht…
Nach über 15 Minuten waren wir wieder auf dem rechten Pfad und zurück im Rennen. Nun half nur noch die Flucht nach vorne. An einer Passage, wo man für Kontrollpunkt 8 ein kurzes Stück rein und denselben Weg wieder rauslaufen musste, entschied ich mich für einen kleinen Kraftakt und schnappte mir den elektronischen Schlüssel von meinem Bruder, um schon mal zum Checkpoint vorzulaufen. Als kleine Entschädigung, dachte ich. Seltsamerweise kamen mir auf diesem Stück die beiden Schweizer noch entgegen, was bedeutete, dass wir plötzlich nur noch etwa fünf Minuten hinter den beiden lagen. Sofort wieder angefixt! Sollte es doch noch zum Showdown an Punkt 10 kommen?
Ja, denn kurz vor dem auserwählten Checkpoint 10, der noch einmal den allerletzten steilen Anstieg des Tages darstellte, befanden wir uns plötzlich wieder in unmittelbarer Schlagweite. So liebe (Eid)Genossen, willkommen am „point of no return“. Sie wählten die sanfte Steigung über links, wir dagegen die steile Variante schnurstracks nach oben. Oben angekommen, war niemand sonst zu sehen. Auch auf dem direkten Abstieg zum nächsten Punkt erschien keine 705 im Augenwinkel. Nanu, was war da los?!? Der Rest der Strecke bis zum Ziel in Emmetten versprach nur noch Ausrollen mit Gefälle ohne nennenswerte Steigungen. Perfekt, um unsere Strategie zu vollenden und alle vier Beine in die Hand zu nehmen. Jetzt waren wir richtig schnell unterwegs. So gut man das mit 10 Kilo auf dem Rücken eben sein kann. Blick nach hinten – nichts! Blick weit nach vorne – nichts. Wo zum Teufel waren sie?
Am letzten Checkpoint vor Ziel fühlten wir uns endlich wie die sicheren Sieger des Parcour 7 und zelebrierten nahezu das Entwerten des allerletzten Kontrollpunktes. Just in dem Moment, als wir uns die Siegerfäuste entgegenstreckten, knirschte der Kies hinter uns und zum Vorschein kam… what the ****!!! Wie ist das möglich, wo kommen die denn plötzlich her?!? Also los, so gut und schnell uns unsere noch viel jüngeren Beine tragen mögen. Zu unserem Glück waren nun sie es, die eine vermeintlich falsche Entscheidung fällten. Peter pflegte unterwegs mehrmals zu sagen, dass es den Anschein habe, dass die beiden „Abkürzungen nur der Abkürzung wegen“ nehmen würden, ohne aber nennenswerten Raumgewinn dabei zu erlangen. Diese Angewohnheit brachte sie in einem hartnäckig geführten Kopf-an-Kopf-Rennen letztendlich um das Siegertreppchen. Während wir schnell trabend der breiten Wegführung folgten, die uns exakt auf die Straße zum Zieleinlauf brachte, musste 705 offenbar nochmal korrigieren und kam im Endeffekt knapp zwei Minuten nach uns in Ziel. Jetzt, und wirklich erst jetzt, wichen auch ihre verbissenen Gesichter einem anerkennenden Lächeln und wir konnten uns gegenseitig zum Triumph gratulieren. (Genau so lief es im Übrigen auch schon 2017 ab.)